Kritik:
„Es war alles genau so. Vielleicht aber auch nicht.“ So wird man in „Sonne und Beton“ hineingeschickt in die Geschichte, in der kein Blatt vor den Mund genommen wird, die brutal zu den Charakteren und den Zuseher:innen ist, die authentisch wirkt und die bittere Wahrheit zeigt.
Felix Lobrecht wuchs mit seinem alleinerziehenden Vater und seinen Geschwistern im Ortsteil Gropiusstadt in Neukölln auf, einem sozialen Brennpunkt mit Großteils Sozialbauwohnungen. In seinem Buch „Sonne und Beton“ erzählt er, teils autobiographisch, über sein Leben dort. Und dieses Buch ist die Vorlage für die Verfilmung. Aber keine Sorge, egal ob ihr das Buch gelesen habt oder nicht, der Film holt euch auch ab. Das schicken wir dieses Mal vorne weg, geht ins Kino und schaut euch den Film an, lohnt sich wirklich.
Warum „Sonne und Beton“ uns so gut gefällt, bleiben wir euch natürlich nicht schuldig. Fangen wir bei den Schauspieler:innen an. Die Hauptrollen, die vier Jungs, wurden quasi auf der Straße gecastet, was Glaubwürdigkeit in die Geschichte bringt. Sie spielen nicht nur die Rollen, sondern bringen viel eigene Erfahrungen mit ein. Dazu gehört auch die Sprache. Die ist oft sehr derb und manchmal schluckt man da, aber auch dadurch fühlt sich die Geschichte echt an. Politische Korrektheit sucht man vergeblich, aber das gelingt ohne dass Vorurteile reproduziert werden. So wie die Sprache sind auch körperliche Aktionen sehr brutal. Da wird nichts beschönigt, auch wenns um Gewalt gegen Jugendliche oder Frauen geht.
Oft ist es ja so, dass Buch-Verfilmungen vieles auslassen und die Geschichte komprimieren. Lobrecht und Regisseur Wnendt haben beim Schreiben des Drehbuchs die Leerstellen vom Buch genommen und Material hinzugefügt. Vor allem die Nebencharaktere bekommen dadurch auch ihre eigene Geschichte. Die Geschichte an sich ist gar nicht so groß, aber erzählt wird so viel, dass die Charaktere Tiefe bekommen. Konfrontiert man Felix Lobrecht damit, dass Gropiusstadt nicht wirklich gut wegkommt, mein er, dass weder beschönigt noch verschlechtert wird, die Gegend wird gezeigt, wie er sie damals erlebt hatte. Die Musik im Film kommt unter anderem von Luvre47 und Lucio101 (die auch beide mitspielen) oder Juju und Olexesh. Dazu kommt eine gute Kameraarbeit und visuelle Arbeit, die uns ebenso in die Geschichte hineinziehen.
Was wahr ist und was nicht, erfahren wir nicht. Was wir aber wissen, ist das „Sonne und Beton“ eine Geschichte einer Freundschaft erzählt. Die Jungs aus zerrütteten Verhältnissen, in deren Familien Gewalt, Alkoholismus, kein Geld und keine Liebe an der Tagesordnung stehen, finden eine Ersatzfamilie – ohne die sie das Ende des Filmes vielleicht gar nicht erleben würden. Da kann die Sprache noch so derb und noch so viel Gewalt zu sehen sein, dem gegenüber stehen die vier Jungs gemeinsam. Und auch wenn sich ihre Träume vom Bezahlen-Können vom Ticket ins Schwimmbad, vom Abitur und einem Leben mit legaler Karriere nicht greifbar anfühlen, sitzt man im Kinosessel und weiß, dass sie gerade wenigstens miteinander diesen Träumen nachjagen und gegenseitig haben und nicht allein sind.
„Sonne und Beton“ ist kein typischer deutscher Film, schon gar nicht nur die Verfilmung eines Buches. Durch Drehbuch und vor allem Schauspieler:innen bekommt der Film eine eigene Kraft und Energie. Und ist dadurch auch mehr als nur ein Drama mit ein bisschen Komödie – es ist einfach eine Geschichte, die man so vielleicht nicht erwartet, aber die einen so schnell nicht mehr loslässt.