Kritik:
„Call Jane“ nimmt uns zu Beginn mit in das Leben der Hausfrau Joy, die Kamera zeigt uns die Geschehnisse aus ihrer Sicht. Wir werden in die 60er Jahre in den USA versetzt, masken- und kostümbildnerisch geht das auch voll auf. Auch die Musik erinnert an dieses Jahrzehnt, ist von Zeit zu Zeit aber etwas aufdringlich.
Vor allem durch Elizabeth Banks und Sigourney Weaver wird der Film getragen. Dennoch gibt es wenig überraschende Momente und zum Ende des Films wirken Handlung bzw. Lösungen ein wenig zu leicht. Das Thema des Films ist zweifelsohne ein sehr wichtiges, dennoch hätte man in die Handlung noch mehr Bitterkeit und Ernsthaftigkeit bringen können, wäre nicht eine weiße Frau aus der Mittelschicht, sondern eine Frau aus einer Minderheit, aus einer sozial schwachen Schicht im Mittelpunkt.
Ein Aspekt, der ebenso zu kurz kommt, ist das Patriarchat. Denn damals wie heute sind es Männer, die über den Körper der Frau entscheiden. Wenn Joy als Betroffene bei der Verhandlung nur geduldet wird, sitzen Männer im besten Alter und Anzug im Raum und treffen die Entscheidung. Ihre Stimme wird nicht gehört und aus männlicher Sicht wäre es doch nur im Sinne der Gesellschaft, wenn das ungeborene Kind geschützt würde. Im Laufe des Films geht der Diskurs um diese von Männern getragenen und ausgeführten Machtverhältnisse leider verloren.
„Call Jane“ spielt in den 1960er Jahren, ist aber leider aktueller denn je. Warum, bedarf ein wenig Geschichtsunterricht.1973 beschloss der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass jede Frau das verfassungsmäßige Recht hat, über Schwangerschaftsabbrüche selbst zu entscheiden. Seit dem sind fast 50 Jahre mit Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen vergangen, in denen das Gesetz immer wieder angefochten wurde. Und im Juni dieses Jahres wurde es rückgängig gemacht.
Aber nicht nur um die Debatte in den USA soll es gehen, sondern um das grundsätzliche Recht, dass man Entscheidungen, die den eigenen Körper betreffen, auch selber treffen sollen dürfte. Und wenn Joy geraten wird, dass es ja doch legale Mittel zum Schwangerschaftsabbruch gäbe – Geisteskrankheit beispielsweise – wird einem doch ein bisschen mulmig. Mit dem Ratschlag der Sekretärin, sich eine Treppe hinunterzustürzen, denn das habe bei ihr so geklappt, drängt sich die Wichtigkeit dieser Debatte einmal mehr in den Vordergrund. Und lässt uns doch mit offenem Mund stehen, dass Frauen dieser Welt, ob vor 50 Jahren oder heute, sich solchen Entscheidungen überhaupt stellen müssen.
„Call Jane“ vereinfacht die auf wahren Begebenheiten beruhenden Tatsachen ein wenig und harmonisiert die offensichtlich heikle Thematik. Da kommt manchmal auch das Gefühl rüber, dass auch das Genre Feel Good Movie stellenweise passen würde.